Veranstaltungsbericht
21. Forum für Koordinatoren nach Baustellenverordnung - Bericht 2024
Die jährliche Fortbildungsveranstaltung des BDK fand am 19.04.2024 statt. Rund 50 Baukoordinatoren trafen sich im Bauzentrum Poing zum fachlichen Austausch sowie Aktualisierung und Vertiefung Ihrer Kenntnisse. Das Forum umfasste sechs Vorträge zu verschiedenen Themen.
Stefan Deschermeier, Präsident des BDK, begann die Vortragsreihe mit einem Blick auf aktuelle Entwicklungen und Informationen
für Baukoordinatoren.
Stefan Deschermeier, Präsident des BDK
Aus der Verbandsarbeit konnte Stefan Deschermeier über die Entwicklungen beim Bundeskoordinatorentag berichten.
Er stellte die geplanten Vorträge für die nächste Veranstaltung am 14.11.2024 in Berlin vor, die sich inhaltlich zunehmend mit arbeitsschutzfachlichen Inhalten beschäftigen. Generell ist es die Aufgabe des BDK das Berufsbildes des Koordinators auf
Baustellen zu stärken. Dabei steht die Koordination von verschiedenen Tätigkeiten und Sicherheitseinrichtungen zusammen mit
einem sicheren Baubetrieb und sicherer Baustellenorganisation im Vordergrund. Für den Arbeitsschutz ist und bleibt weiter der Unternehmer zuständig. „Wir werden darauf achten, dass bei der geplanten Novellierung der Baustellenverordnung die EU-Richtlinie umgesetzt wird“, sagt Stefan Deschermeier. Auch der Wunsch der anwesenden Teilnehmer und Mitglieder ist es, die bisherigen Aufgaben beizubehalten und keine neuen Rechtsgebiete und Themenfelder hinzuzufügen. „Insbesondere Zusatzinteressen, wie der Arbeitsschutz als originäre Aufgabe der Arbeitgeber und Unternehmer, sollen zukünftig keine Aufgabe für unsere Koordinatoren auf Baustellen sein“, mahnt der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Baukoordinatoren.
Herr Deschermeier berichtete weiter von der Zusammenarbeit der Verbände VSGK, VDSI und BDK. Ein Schwerpunkt war die „Büronachfolge“, womit sich ein gemeinsamer Arbeitskreis beim VSGK gegründet, und durch den BDK unterstützt, beschäftigt hat.
Es wurde mit freundlicher Genehmigung des EMF-Instituts der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin ein gemeinsamer Flyer
mit ersten Informationen zum Thema erstellt, basierend auf dem interaktiven Konzept „Der Nachfolgefahrplan“ unter https://nachfolgefahrplan.org. Auf den Flyer ist verwiesen unter www.baukoordinatoren.com Download.
Die drei Berufsverbände haben sich auch zur Prüfung des Modernisierungs- und Novellierungsbedarfs der Baustellenverordnung abgestimmt. Bei einer zukünftigen Aktualisierung der Verordnung ist es Ziel der Verbände eine gemeinsame Richtung zu vertreten, um mehr Gehör beim Gesetzgeber zu finden. Dafür sind sie bereits in Gesprächen.
Abschließend sprach Herr Deschermeier noch das BG Bau Arbeitsschutzkompendium, die Möglichkeit der Mitarbeit beim hybriden BDK-Treff (2-3 mal im Jahr) und die Baustellenführung, für die gerne Vorschläge entgegengenommen werden, an und führte dann zum ersten Referenten über.
Rechtsanwalt Sebastian Büchner befasste sich in seinem Vortrag mit der bereits novellierten Baustellenverordnung, die für Bauvorhaben ab dem 01.04.2023 gültig ist und deren Auswirkungen auf die Koordinatorentätigkeit.
Die erfolgte Änderung der BaustellV diente dazu, die Mindestanforderungen der Richtlinie 92/57/EWG vollumfänglich umzusetzen. Nach Auffassung der Kommission verstieß die BaustellV in drei Punkten der Richtlinie :
1. Keine Verpflichtung zur Erstellung eines SiGe-Plans, wenn alle Beschäftigten für den denselben Arbeitgeber tätig sind.
2. Kein ausreichender Anpassungszwang des SiGe-Plans bei Änderungen in der Ausführung des Bauvorhabens
3. Bei der Definition der besonders gefährlichen Arbeiten bei Auf- oder Abbau von Massivbauelementen.
RA Büchner untersuchte die geänderten Vorschriften kritisch. Mit den Teilnehmern diskutierte er § 2 Abs. 4 BaustellV und erarbeitete die Antworten auf die Fragen: Wann liegt eine Tätigkeit jedes Beschäftigten für denselben Arbeitgeber vor? Wer muss unterrichten und mit welchem Inhalt? Welches sind die „Umstände auf dem Gelände“, die unterrichtungspflichtig sind?
Ein SiGe-Plan ist u.a. notwendig, wenn besonders gefährliche Arbeiten erfolgen sollen. Dazu wurde im Anhang 2 die Nr. 10 geändert. Es wurde diskutiert, was unter „Massivbauelement“ zu verstehen ist – ggf. auch ein Stahlträger oder auch nur eine Palette von Backsteinen. Referent und Teilnehmer erörterten die Auslegung, dass es nicht mehr auf das Gewicht von Massivbauelementen oder möglicherweise auch ähnlichen Lasten ankommt, sondern hier unabhängig von einem Gewicht der Fokus dieser Vorschrift auf dem Einsatz von kraftbetriebenen Arbeitsmitteln zum Heben und Versetzen liegt.
Daneben wurde in § 3 Abs. 1 BaustellV der nach § 4 Verantwortliche ergänzt und § 3 Abs.3 Nr. 3 angepasst. Danach ist der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan bei Änderungen in der Ausführung immer dann anzupassen, wenn sich die Änderungen auf die weitere Koordination auswirken.
Einen Vortrag aus der Praxis hörten die Teilnehmer von dem Koordinator Robert Fesl. Er informierte über die gesetzlichen Vorgaben und sonstigen Regelungen zur „persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz“ . Die PSAgA darf nur für kurzfristige Arbeiten verwendet werden, wenn keine konstruktive Absturzsicherung möglich ist; in Hubarbeitsbühnen wird sie grundsätzlich empfohlen für den Fall eines unerwarteten Bodenhindernisses; und es muss eine Gefährdungsbeurteilung, eine Rettungskonzept sowie eine Unterweisung der Mitarbeiter vorliegen.
Die genauen Verwendungsmöglichkeiten bei verschiedenen Arbeiten auf der Baustelle wurden beleuchtet sowie die Verwendung in Bezug auf „spätere Arbeiten“. Temporäre Anschlagpunkte wurden vorgestellt, permanente Anschlagsysteme, Verbindungsmittel wie Auffang-, Rückhalte- und Arbeitsplatzpositionierungssysteme und Gurtzeuge. Anhand zahlreicher Baustellenfotos wurden Beispiele aus der Praxis analysiert.
Das Fazit des Referenten und aus dem Teilnehmerkreis: Die Nutzung von PSAgA sollte, soweit es geht, unbedingt vermieden werden. Dabei kann man mehr falsch machen als richtig. Konstruktive Absturzsicherungen durch Geländer (auch abklappbar) sind vorzuziehen. Hierauf können Koordinatoren bereits in der Planungsphase hinweisen.
Mit Seilsystemen können keine Kosten gespart werden. Die Kosten werden höher, weil eine jährliche Überprüfung der Sekuranten und des Seilsystems notwendig ist. Die Systeme und Verbindungsmittel müssen zusammenpassen (Herstellerangabe und evtl.. Hinterlegung beim Hausmeister notwendig). Ein Rettungskonzept muss ergänzend erstellt werden. Eine Unterweisung aller möglichen Nutzer muss erfolgen. Das alles muss den Kostenvergleich einbezogen werden.
Tim Matsoukas, Unternehmensberater
Einen völlig anderen Blick auf die Koordinatorentätigkeit vermittelte der Unternehmensberater Tim Matsoukas in seinem Vortrag „Baustellenkoordinator 2.0: Unsere Rolle für mehr Durchsetzungskraft, Sichtbarkeit und Akzeptanz nutzen“. Aufbauend auf einige Vorgespräche mit Koordinatoren aus der Praxis und den berufsverpflichtenden Normen/Quellen/Institutionen leitete er die hohen Anforderungen an die Tätigkeit des Koordinators ab. Er lenkte den Blick auf das Tagesgeschäft auf der Baustelle und die sich dort sehr häufig begegnenden widerstreitenden Interessen und Ziele der vielen Akteure, die sich auf der Baustelle treffen (Bauherr, Architekt, Bauleiter, Bauunternehmer, Bauarbeiter) oder auch im Hintergrund (Behörde, Auftraggeber, Bank, Jurist) beeinflussen. Will man alle Interessen berücksichtigen, entstehen komplexe Zusammenhänge und Herausforderungen, die noch verstärkt werden durch Zeitdruck, Planänderungen, interdisziplinäre sowie interkulturelle Kommunikation und der besonderen Arbeitskultur. Der Koordinator agiert dazwischen als Person, die mit dem Ziel die Sicherheit von Personen zu schützen, eine sehr wichtige Aufgabe hat. Diese Aufgabe obliegt ihm jedoch nicht allein. Deshalb ist er auf die Kooperationsbereitschaft aller Akteure angewiesen. Jeder Akteur hat seine eigenen Pflichten und trägt Verantwortung mit dem gleichen Ziel „Sicherheit auf der Baustelle“. Die Rolle des Koordinators dazwischen ist nicht einfach. Ohne Weisungsbefugnis und Hierarchie innerhalb des Systems hat er es oft schwer sich durchzusetzen. Diese Aussage bestätigten eine Vielzahl der anwesenden Teilnehmer.
Ausgehend von den eigenen Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen ermutigt Tim Matsoukas die Koordinatoren zur Reflexion der eigenen Befähigung und Autorität. Er gibt Hinweise auf verschiedene Ebenen der Kommunikation und verschiedene Ansätze die Kommunikation und Durchsetzung auf der Baustelle zu verbessern. Er ermutigt die Teilnehmer auch im Wege von Perspektivenwechsel über ihre Rolle und Aufgaben auf der Baustelle nachzudenken. Jeder für sich kann etwas bewegen und in einer gemeinsamen Reflexion die Rolle des Koordinators neu definieren.
Für die gemeinsame Reflexion gibt er einige Fragen an die Hand:
Was ist der wirkliche Nutzen des Baukoordinators? Gibt es Systemfehler, an denen wir arbeiten müssen? Brauchen wir eine Re-Definition der Koordinatoren-Rolle? Brauchen wir eine Mindset-Anpassung oder auch eine Novellierung oder Klarstellung der Gesetzeslage?
Alexander Frese vertiefte mit seinem Vortrag „Step UP Your Safety at Work: Leitern & Fahrgerüste – mehr als Sicherheit und Nutzen“ das Wissen über den Umgang mit Leitern auf der Baustelle. Ausgehend von den grundlegenden gesetzlichen Vorschriften und Regeln besprach er die Maßgaben für die Nutzung von Leitern nach der TRBS 2121. Danach sind als Verkehrsweg für einen zu überbrückenden Höhenunterschied von max. 5,00 m Sprossen & Stufenleitern erlaubt. In sehr seltenen Fällen darf der Höhenunterschied als Verkehrsweg auch mehr als 5,00 m betragen. Zur Nutzung der Leiter als Arbeitsplatz ist für die Durchführung zeitweiliger Arbeiten nur die Stufenleiter zulässig – bis 2,00 m Standhöhe zeitlich unbegrenzt, ab einer Standhöhe von 2,01 bis 5,00 m maximal 2 Stunden pro Schicht. Ergänzend stellte der Referent anhand Vorstellung verschiedener Leiterarten und Nutzungsmöglichkeiten den Stand der Technik bei Leitern vor. Darüber hinaus gab Frese ergänzenden Informationen zu fahrbaren Arbeitsbühnen mit vorlaufendem Seitenschutz sowie Steigleitern mit Rückenschutz und notwendigen Zugstiegspodesten. Zum Abschluss informierte der Referent über die Reihenfolge der zur treffenden Schutzmaßnahmen nach TRBS 2121, nach dem Stand der Technik sind Schutzgeländer als kollektiv wirkender Schutz dem individuellen Schutz mit PSAgA vorzuziehen. Grundsätzlich gibt es keinen Bestandsschutz für ein Arbeiten mit Arbeitsgeräten, die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen. Deshalb sind Arbeitsgeräte unverzüglich auszuwechseln. Dies ergibt sich aus § 4 ArbSchG, § 4 ArbStättV, §§ 3 und 4 BetrSichV.
Zum Abschluss unseres Forums 2024 gab es noch einen weiteren Vortrag aus der Praxis von Baukoordinatorin Christel Scheyk. Sie konnte erneut von einer sehr besonderen Baustelle berichten. Die Baustelle Heizkraftwerk Süd in München – ein außergewöhnliches Praxisbeispiel – umfasst eigentlich 7 Baustellen teilweise auch im Bereich Anlagenbau an unterschiedlichen Örtlichkeiten auf dem Gelände.
1. Teil GuD 1: Neubau einer neuem Gas- und Dampfturbinenanlage mit drei Unterbaustellen –
Maschinenhaus mit Schalthaus und Heizhaus, Kesselhaus und Abbruch HD-Kamin mit 176 m Höhe
2. Teil GuD 2: Austausch der beiden Gasturbosätze gegen moderne Gasturbinen
3. Teil FKZ: Umbau der ehemaligen Rauchgasreinigungsanlage in eine Fernkältezentrale
4. Kessel 6-8 Rückbau: Rückbau von drei nicht mehr benötigten Kesseln
5. Gasstation: Umbau Gebäude und Montage neues Gassystem
6. Gebäude Wärmeeinbindung + Geothermie
7. Bau des neuen Wärmespeichers mit 50 m Durchmesser und 60 m Höhe
Die Referentin stellte diese unterschiedlichen Baustellen anhand vieler Fotos vor und wies auf die Besonderheiten der spannenden Gesamtbaustelle und die Herausforderungen in Bezug auf die Koordination hin.
Schon jetzt laden wir alle Baukoordinatoren wieder ein beim Forum im nächsten Jahr dabei zu sein.
Gerne nehmen dafür Ideen und Wünsche für Themen und Referenten entgegen.
Gerne möchten wir auch eine Baustellenführung anbieten. Wenn Sie eine Baustelle haben, die für Kollegen interessant ist,
dann melden Sie sich doch gerne bei Susan Fischer, BDK-Bundesgeschäftsstelle (Tel. 089-57007233, info@bdk-baukoordinatoren.de)
Der nächste BDK-Treff findet in hybrider Form voraussichtlich im Juni 2024 statt.
Wir freuen uns auf alle Mitglieder, die an einem Austausch interessiert sind.