Bericht vom 12. Forum für Koordinatoren nach Baustellenverordnung
Am 26. Februar 2011 fand im Münchner Bauzentrum das 12. Forum für Koordinatoren nach Baustellenverordnung statt. In diesem Jahr war das Forum mit 7 Referenten und verschiedensten Themen über die aktuellen Entwicklungen, praktische Umsetzung und rechtlichen Rahmenbedingungen besonders abwechslungsreich.
Baumeister Dipl.-Ing. (FH) Friedrich Hornik, Vizepräsident des BDK, berichtete von den Ergebnissen der Arbeit in den verschiedenen Gremien, in denen er ein Sachverständiger für die Koordination auf Baustellen ist.
Der AHO, Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V., hat das Heft Nr. 15 der Schriftenreihe des AHO, Praxishilfe zur Honorarermittlung für Leistungen nach der Baustellenverordnung, in 2. Auflage überarbeitet. Das Heft ist derzeit in Druck und wird in Kürze veröffentlicht.
Auch das Leitbild zur Koordination nach Baustellenverordnung, gefördert mit einem Projekt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), konnte mit einer Verpflichtung der maßgeblichen Verbände und Kammern, das Leitbild nach Kräften umzusetzen und zu unterstützen, zum Abschluss gebracht und unterschrieben werden (zum Download www.leitbild-gute-koordination.de ).
Als Mitglied des Präsidiums für die Organisation des Bundeskoordinatorentages am 10. November 2011 in Berlin hat Hornik seine Ideen und Anregungen und die der BDK-Verbandsmitglieder mit in die Veranstaltung eingebracht.{mosimage}
In seinem fachlichen Vortrag zur Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes bereits bei der Planung der Ausführung stellte Hornik am Beispiel eines Verwaltungs- und Wohngebäudes in Leipzig die Planung mit den gemeinsam genutzten Sicherheitseinrichtungen vor. Der Koordinators sollte dabei auch den Baustellenbetrieb mitgestalten. Nachdem die Bauverfahren und -methoden geplant sind, ist der Bauablauf festzulegen und in die IGP (Integrierte Gesamtplanung) und den SiGePlan und die LV (Leistungsverzeichnisse nach VOB/ A + C) zu übernehmen. Gleichzeitig stellt der Koordinator auch die Unterlage für die späteren Arbeiten zusammen.
Die Aufgaben bei der Planung der Ausführung sind die Gefahren an ihrer Quelle zu bekämpfen, den Stand der Technik im Baustellenbetrieb zu berücksichtigen, die Maßnahmen mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen und Einflüsse der Umwelt auf dem Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen und inviduelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen zu ergreifen.
Der zweite Vortrag zum Thema Gefährdungsbeurteilung von Dipl.-Ing. (FH) Stefan Deschermeier, Sektionsvorsitzender des BDK, führte zu einer angeregten Diskussion unter den Teilnehmern. Muss sich ein Koordinator die Gefährdungsbeurteilungen der auf der Baustelle tätigen Unternehmer für ihre Arbeitnehmer vorlegen lassen. Muss er sie gar beurteilen? Kann ein hier festgestellter Mangel zu einer Haftung des Koordinators führen?
Das Problem wurde kontrovers diskutiert. Für einen Teil der Teilnehmer sind die Gefährdungsbeurteilungen der Firmen interne Vorgänge, die den Koordinator nicht zu interessieren brauchen. Der Koordinator macht seine eigene Gefährdungsbeurteilung zur Baustelle und erarbeitet daraus seinen SiGePlan. Der andere Teilnehmerkreis ist der Auffassung, der Koordinator habe die Gefährdungsanalysen der Unternehmer zwar nicht zu überprüfen, wohl können sie aber gerade mit der Benennung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitseinrichtungen wichtige Informationen für die eigenen Überlegungen des Koordinators zur Gefährdung und zur Erstelllung des SiGePlans enthalten. Die GefB hilft bei der Erkennung von Schnittstellen bei Gefährdungen der verschiedenen bauausführenden Firmen und bei der Festlegung geeigneter gemeinsamer Schutzmaßnahmen. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf den Vortrag von Dipl.-Ing. Andreas Heiland, Prävention BG Bau auf dem Bundeskoordinatorentag am 16.11.2010 (Download unter www.baua.de /Themen von A-Z/Baustellen/6.Bundeskoordinatorentag/Gefährdungsbeurteilung als Instrument der Koordination).
RA Sebastian Büchner nahm in seinem rechtlichen Beitrag eine evtl. Haftungsproblematik der Gefährdungsbeurteilung noch einmal auf. Er sah hier nicht so sehr ein Haftungsproblem. Es gibt seitens des Koordinators keinen Anspruch auf eine Gefährdungsbeurteilung der einzelnen Unternehmen. Dann kann daraus eigentlich auch keine Verpflichtung entstehen. Er kann sich aus der bisherigen Praxis nicht vorstellen, dass der Koordinator haftbar gemacht werden kann, wenn eine Gefährdungsbeurteilung eines Unternehmers nicht korrekt ist. Sicher ist es nicht von Nachteil, wenn der Koordinator sich die GefB zeigen lässt und er weiß, dass es sie gibt. Der Koordinator ist aber nicht der Hauptverantwortliche auf der Baustelle. Wenn ein Unfall passiert, haftet nur derjenige gesamtschuldnerisch, der pflichtwidrig und verantwortlich eine Ursache geschaffen hat, die kausal zu einem Schaden geführt hat. Die Kausalität für einen Baustellenunfall liegt idR nicht bei einer fehlenden oder unrichtigen Gefährdungsbeurteilung.{mosimage}
Weiter berichtete Büchner von einem neu ergangenen Urteil des EuGH vom 07.10.2010, welcher darüber zu entscheiden hatte, ob die italienischen Rechtsvorschriften der EU-Richtlinie über die auf Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften entsprechen. (Anm. der Redaktion – mehr zum Urteil: www.kostenlose-urteile.de/Urteil10378 ). Das Urteil hat auch Bedeutung für den deutschen Gesetzgeber, da auch die deutsche Baustellenverordnung nicht ganz den Vorgaben der EU-Richtlinie entspricht.
Die EU-Richtlinie fordert einmal, dass auf jeder Baustelle, auf der mehrere Unternehmen anwesend sein werden, ein Koordinator nach Baustellenverordnung bestellt wird. Zum anderen fordert sie, dass für jede Baustelle, für die eine Vorankündigung zu übermitteln ist oder auf der Arbeiten stattfinden, die mit besonderen Gefahren verbunden sind, vor Einrichtung der Baustelle ein SiGe-Plan zur erstellen ist. Insoweit geht die EU-Richtlinie weiter als die deutsche Baustellenverordnung, die derzeit die Erstellung eines SiGePlans nur vorschreibt wenn eine Vorankündigung erforderlich ist oder wenn besonders gefährliche Arbeiten durchgeführt werden und gleichzeitig mehrere Arbeitgeber auf der Baustelle tätig werden.
Büchner wies darauf hin, dass die EU-Regelung nicht den Bürger und damit die Koordinatoren unmittelbar betrifft, sondern den Gesetzgeber, der diese Regelung korrekt in nationales Recht umsetzen muss. Dennoch empfiehlt er den Koordinatoren in der Praxis die Bauherren darauf hinzuweisen, dass Baustellen mit besonders gefährlichen Arbeiten nach Anhang II der Baustellenverordnung nach der EU-Richtlinie immer die Erstellung eines SiGe-Plans erfordern und ggf. die Entscheidung der Bauherren zu dokumentieren.
Ass. Ursula Behrendsen, BG Bau München, gab einen Überblick über die Entwicklungen im staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften- und Regelwerk. Ausgehend von der EU-Richtlinie war der Staat gefordert Regelungen umzusetzen, die allgemeiner und abstrakt sind. Deshalb werden nun einzelne Unfallverhütungsvorschriften abgeschafft und es dürfen auch keine neuen Unfallverhütungsvorschriften mehr geschaffen werden.
Der Koordinator greift idR auf die Gefährdungsbeurteilungen der einzelnen Firmen zurück, die Basis im betrieblichen Arbeitsschutz sind. In diesem Zusammenhang wird noch einmal das Thema erörtert, inwieweit die GefBen der einzelnen ausführenden Unternehmen vor Ort für die Arbeit des Koordinators von Bedeutung sind. Sie können eine interessante Informationsquelle sein in den Schnittstellenbereichen gemeinsamer genutzter Sicherheitseinrichtungen. Dies gilt allerdings nur für die Fortschreibung des SiGePlans, da dieser idR schon vorher erstellt wird. Ein Problem wird von den Teilnehmern nach wie vor in der Gefahr gesehen, dass dem Koordinator – wenn er alle Gefährdungsbeurteilungen einfordert und anschaut – die Verantwortlichkeit für evtl. Mängel bzw. Fehlen von Beurteilungen von Behörden und ggf. Staatsanwaltschaft "zugeschoben" wird. Ein großer Teil der Teilnehmer kam zu dem Schluss, dass es nicht unbedingt notwendig ist, die Gefährdungsbeurteilungen zu lesen. Schnittstellen könnten auch über Gespräche mit den einzelnen Firmen gefunden werden.
Wichtige Informationen zum Thema Randbedingungen zur Auswahl von PSA gegen Absturz und Rettungsmaßnahmen erhielten die Teilnehmer von Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper (BG Bau Dortmund).
Zur Sprache kamen besondere Gefahrenpunkte, Planung und Festlegung von Absturzsicherungen/Anschlageinrichtungen, Planung und Auswahl von Anschlageinrichtungen, Montage, Sachkundige Prüfung, verschiedene PSA für Haltefunktionen und zur Verhinderung von Abstürzen und Auffangsysteme. Auch die Rettung von Arbeitern mittels Rettungshubgeräten wurde angeschnitten. Schäper wies auf die empfehlenden Vorschläge der Fachgruppe D-A-CH-S hin, einer internationalen Arbeitsgruppe von Experten aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol, deren Ziel es ist, eine länderübergreifende Vereinheitlichung der Regelungen für Absturzsicherungen an hochgelegenen Arbeitsplätzen zu erreichen (s. www.bauforumplus.eu ).
Hochinteressant war der Beitrag von Helmut Schmidt, verantwortlicher Ausbilder der Berufsfeuerwehr München/Höhenrettung. Er gab Informationen über Organisation und Stärke der Abteilung Höhenrettung der Münchner Feuerwache 8, zu den Indikationen für den Einsatz der Höhenrettung sowie das Anforderungsprofil und Ausbildung der Höhenretter. Schmidt gab an, was genau bei Gefahr, Unfall, Erkrankung oder Absturz zu tun ist, von der möglichst genauen Meldung mit Angaben zu Unfallort, Unfallgeschehen, Verletzten, deren Verletzungen und weiteren Details bis zu den Maßnahmen, die getroffen werden können bis die Rettungsmannschaft eintrifft. Er stellte weiter verschiedenste Einsätze vor mit Bild und Angabe besonderer Rettungsmethoden und berichtete spannend von einigen schwierigen Einsätzen.
Den Abschluss des Forums bildete Univ.-Prof. Dr.-Ing. Rainer Schach, Institut für Baubetriebswesen, TU Dresden, mit Visionen zur zukünftigen Umsetzung von Sicherheit und Gesundheitsschutz nach BaustellV in Deutschland. Frankreich und Großbritannien haben bereits ihre ersten Regelungen ergänzt oder novelliert. In Deutschland steht nach seiner Ansicht eine Novellierung dringend aus, denn die deutsche Verordnung mit den ergänzenden RABs ist unverständlich und führt zu viel Unsicherheiten. Die englische Vorschrift hält er für eine gute Vorlage und stellt seine Gedanken zu einer neuen deutschen prozessorientierten BaustellenV vor, die je nach Dauer der Baustelle ein kleines oder großes Verfahren vorschreiben könnte. Im großen Verfahren schlägt er neben dem Planer den Einsatz eines SiGe-Beraters und SiGe-Unternehmers vor.